[home] [Info/Geschichte] [Vernetzung] [Adressen] [Publikationen] [Links] [sitemap] | |
Gegenöffentlichkeit, Medientheorie & InformationsfetischDer Blick auf Kommunikationstheorien begründet, warum eine Kommunikationsguerilla nicht mehr ausschließlich auf die traditionellen Aufklärungsstrategien linker Gegenöffentlichkeit setzt. Allerdings werden dadurch bisherige Formen politischer Arbeit nicht obsolet. Die Kritik an linken Gegenöffentlichkeitskonzepten bedeutet nicht, die Notwendigkeit eines "Streit(s) um Fakten und Realitätsdeutungen"1 in Abrede zu stellen und sich von Gegenöffentlichkeit zu verabschieden. Allerdings muss sie sich derselben Fragen stellen, die auch an jede Aktion der Kommunikationsguerilla gerichtet werden wird: Unter welchen Bedingungen, in welchen Situationen vermittelt Gegenöffentlichkeit den AdressatInnen einen kritischen Blick auf alltägliche Normalität; unter welchen Vorraussetzungen und bei wem kann sie gesellschaftsveränderndes Handeln bewirken? Für die Frage nach der aktuellen Funktion von klassischer Gegenöffentlichkeit ist ein Blick auf die bisherige Praxis hilfreich. In Anlehnung an Geert Lovink2 halten wir es für sinnvoll, die Medien der linken Gegenöffentlichkeit hinsichtlicht ihrer Funktion idealtypisch in "alternative" und "eigene" Medien zu unterscheiden. "Alternative" Medien spiegeln sich vornehmlich an den bürgerlichen Medien, indem sie beständig eine inhaltlich korrigierende und das bestehende Informationsspektrum ergänzende Aufgabe wahrnehmen. Vor allem in den 70er und 80er Jahren gelang es ihnen, abweichende Lesarten sozialer und politischer Widersprüche bereitzustellen und so zur Konstituierung einer "liberalen" Öffentlichkeit beizutragen. Dagegen setzten "eigene" Medien nicht in erster Linie auf die Bewusstwerdung der "anderen", sprich auf eine direkte Beeinflussung und Bereicherung der "öffentlichen Meinung". Im Unterschied zu den "alternativen" Medien positionierten sie sich selbst außerhalb des gesellschaftlichen Zentrums; sowohl inhaltlich durch explizit linke Stellungnahmen und Diskussionen als auch durch das Aufgreifen subkultureller Themen und Codes. "Eigene" Medien sind Orientierungspunkte für die soziale Praxis linker Szenen und Subkulturen; sie bieten Foren für spezifisch linke Diskussionen und stabilisieren unter Umständen soziale Identitäten. Zwar bewegen sie sich in einem durch Slang und Gangart ihrer subkulturellen Basis eng begrenzten Raum, doch gerade dies ermöglicht einen relativ dichten Austausch zwischen Publikum und MacherInnen. Diese Überlegungen zeigen, dass soziale Beziehungsrahmen und außermediale politische und kulturelle Praxen wichtig sind, wenn die Bedeutung linker Medien eingeschätzt werden soll. Die Bedeutung dieses Bezugs wurde aber in den Diskussionen um linke Gegenöffentlichkeit weitgehend außer acht gelassen, solange überzogene Vorstellungen von den Möglichkeiten einer medialen linken Intervention in die bürgerliche Öffentlichkeit dominierten. Es wurde, zugespitzt formuliert, davon ausgegangen, dass nur genug AktivistInnen an möglichst vielen Stellen Gegenöffentlichkeit herstellen müssten, wodurch dann irgendwann eine gesellschaftsverändernde Kettenreaktion ausgelöst würde. Eine Vielzahl linker Medienprojekte stellte sich aus dieser Logik heraus die Aufgabe, die in den bürgerlichen Medien unterbliebenen Nachrichten zu verbreiten. Diese Konzeption von Gegenöffentlichkeit bezeichnet Lovnik als "Megaphonmodell", denn sie unterstellt unausgesprochen einen kausalen Zusammenhang zwischen Information, Bewusstsein und Handeln. Dahinter steht letztlich ein lineares Kommunikationsmodell, demzufolge es ausreicht, die "falschen" Ideen durch die "richtigen" zu ersetzen: Wenn die Menschen nur lange genug "die Wahrheit" hören, werden sie irgendwann ihre Meinung ändern und sich gegen die herrschenden Verhältnisse wenden. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass ein solches auf die Übermittlung der "richtigen" Informationen fixiertes Verständnis von Medien und Medienrezeption zu kurz greift. Nicht zuletzt durch die Existenz von Gegenöffentlichkeit wurden zumindest hierzulande auch gesellschaftskritische Informationen relativ leicht zugänglich. Heute mangelt es in der bürgerlichen Gesellschaft nicht an solchen Informationen, sondern das Hauptproblem ist deren absolute Folgenlosigkeit. Das heißt nicht, dass es dieser Information nicht mehr bedarf. Allerdings erscheint ein Politikverständnis problematisch, das hauptsächlich oder ausschließlich auf ihre Kraft vertraut. In "Öffentlichkeit und Erfahrung" haben Negt/Kluge3 darauf verwiesen, dass die Subjekte sich "die bloße Abbildung der Realität" nur dann aneignen, wenn sie zugleich wissen, wie sie aktiv die sie bedrückenden Verhältnisse verändern können: "Erst aus dieser Handlungsmöglichkeit könnte sich ihr Interesse am Realismus rekrutieren." Das macht deutlich, dass Medienpraxis in einem umfassenderen Kontext von sozialem, politischem und kulturellem Handeln gedacht werden muss. Wichtig ist oft nicht, ob etwas in der Zeitung steht, sondern dass und wie Leute über Sachverhalte reden. (Gegen-)Öffentlichkeit ist dann mehr als Bildschirm, Radio oder Zeitung. Strategien, die allein auf mediale Informationen setzen, überschätzen deren Wirkung. (Dabei befinden sie sich übrigens in gutbürgerlicher Gesellschaft, wie die Diskussionen um Mediengewalt zeigen.) Hier erscheint uns ein weiterer Aspekt wichtig: Die Vorstellung, dass die herkömmlichen Massenmedien sich - einmal im Besitz der richtigen Leute - als ein Instrument zur demokratischen Willensbildung einsetzen lassen, ist grundsätzlich fragwürdig, denn Massenmedien im bisherigen Sinne sind nicht demokratisch. Ihre Kommunikationsform beruht auf dem Prinzip der Vervielfältigung von Informationen in nur eine Richtung, von den Produzierenden hin zu den KonsumentInnen. Sie reproduzieren durch die Einbahnstraße ihres Kommunikationskanals Machtpositionen und machen einen wirklich gleichberechtigten Austausch unmöglich: Massenmedien setzen einen eng gesteckten Rahmen, was von wem in welcher Weise mitgeteilt werden kann und wer zum Schweigen verurteilt ist. Aufgrund dieser Nicht-Reziprozität können sie für die EmpfängerInnen allenfalls in sehr reduzierter Weise Ausgangspunkt oder Element von über den reinen Medienkonsum hinausgehenden sozialen Praxen werden (für die Macher mag das anders aussehen).
1 2 Lovink, Geert: "Hör zu - oder stirb! Fragmente einer Theorie der souveränen Medien."3 Negt, Oskar / Kluge, Alexander: "Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit
Gegenöffentlichkeit und soziale Praxis Diese Kritik an einem verbreiteten linken Medienverständnis rückt auch die vielbeschworene Krise alternativer Medien in ein anderes Licht. Möglicherweise war es gar nicht so, dass linke Gegenöffentlichkeit früher besser "funktionierte". Eher macht die relative Stärke der sozialen Bewegungen Unzulänglichkeiten der medialen Vermittlung unsichtbar: Wo man glaubte, durch Aufklärung weitergekommen zu sein, war es vielleicht in Wirklichkeit gar nicht die schlagende Brillanz der Argumente aus der Gegenöffentlichkeit, die bei vielen Leuten ein Interesse für bestimmte Themen und Sichtweisen und ein Bedürfnis nach entsprechenden Informationen hervorrief. Vielmehr war dieses Interesse Ausdruck von Veränderungen der eigenen Lebenszusammenhänge vor dem Hintergrund jener gesellschaftlichen Entwicklung, in deren Zuge auch die "neuen sozialen Bewegungen" ihre Bedeutung gewannen. Auf unsere Fragestellung bezogen heißt das, dass nicht nur die (linken) Medien zur Ausbreitung der politischen Bewegungen beitrugen, sondern dass auch die Stärke der Bewegungen vor dem Hintergrund einer spezifischen gesellschaftlichen Situation linken Zeitungen, Zeitschriften und Radios zu ihrer Wirkung verhalf. Die Friedens-, die Anti-AKW- oder die feministischen Bewegungen boten konkrete Handlungsangebote und -zusammenhänge. Die Informationen "alternativer" Medien konnten sich vor diesem Hintergrund eines besonderen Interesses sicher sein. Darüber hinaus hatten diese Medien eine wichtige Funktion für die Vernetzung und Selbstvergewisserung innerhalb der sozialen Bewegungen. Das Problem, dass mediale Informationen ohne im Rahmen einer sozialen Praxis gegebene Handlungsmöglichkeiten zumeist wirkungslos bleiben, fiel damals gar nicht weiter auf; so konnte sich die Vorstellung halten, dass Medieninformationen per se zu politischen Handeln führt. Heute aber wird vor dem Hintergrund des Fehlens starker politischer und sozialer Bewegungen deutlich, dass die Medien der "Gegenöffentlichkeit" diesen Anspruch nicht einlösen können. Diese Entwicklung unterstreicht die Richtigkeit von Negt/Kluges Analyse, dass Information per se nichts bewirkt, wenn nicht eine soziale Praxis damit verbunden ist.
Campaigning Betrachten wir über den Tellerrand der linken Medienpraxis hinaus den Mainstream der bürgerlichen Massenmedien, so schein es zunächst, dass ein solcher Blick unsre These "Informationen bleiben tendenziell folgenlos" widerlegt. Themen, die eigentlich in den Bereich der klassischen Gegenöffentlichkeit (Ökologie, Rüstung) gehören, wurden Gegenstand großangelegter und in ihrem selbstgesetzten Rahmen auch erfolgreicher Medienkampagnen. Auf kurzfristige Ziele bezogen, erreichten die Greenpeace-Proteste gegen das Versenken der Shell-Bohrinsel in der Nordsee sowie gegen die französischen Atomversuche auf dem Mururoa-Atoll relativ große Breitenwirkung. Naja, Greenpeace ... Aber solche Aktionen, die die Funktionsweise öffentlicher Medien genau kalkulieren, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen, sind auch in anderen Bereichen möglich. Während kleine politische Gruppierungen seit Jahren versuchten, Solidarität mit dem politischen Gefangenen Mumia Abu Jamal zu organisieren und nur relativ bescheidene Erfolge erzielen konnten (was sich 99/00 durch massiveren weltweiten Protest änderte, der Tipper), gelang es in einer breiten Medienkampagne, den staatlichen Mord an Mumia zumindest vorläufig zu verhindern. Offenbar ist es also durchaus möglich, durch eine bestimmte Form der Nutzung bürgerlicher Medienöffentlichkeit nicht nur gesellschaftliche Resonanz, sondern auch konkrete Erfolge zu erzielen. Bedingung für eine solche Mediennutzung, die wir hier als "Campaigning" bezeichnen, ist allerdings, sich den Funktionsmechanismen bürgerlicher Medien weitgehend zu unterwerfen. Professionalisierung, Effizienz und Medienkompatibilität werden hierbei zu wesentlichen Kriterien politischen Handelns. Der Medienfetisch "Ereignis" bestimmt, was berichtet wird. Das Spektakel der Greenpeace-Aktionen bedient diesen Fetisch ebenso wie die Darstellung von Mumia ("Der Mann, der ein Buch aus der Todeszelle schrieb"). Der Erfolg dieser Art von "Campaigning" liegt nicht zuletzt darin, dass es sich auf kurzfristige, punktuelle und "realistische" Interventionen beschränkt, in deren Rahmen der MedienkonsumentIn konkrete Handlungsanweisungen angeboten werden, an denen jeder im Rahmen seines Alltages mitmischen kann: Tankt nicht bei Shell, kauft keine französischen Produkte, schreibt an Richter Sabo. Diese Handlungsanweisungen stellen das grundsätzliche Handeln bzw. die Lebensweise der AdressatInnen nicht in Frage, sondern ermöglichen es ihnen, sich als kritische TeilhaberInnen am politischen Geschehen wahrzunehmen, ohne die Verfasstheit der Gesellschaft als Ganzes zu kritisieren. Das massenmedial vermittelte gesellschaftliche Handeln erschöpft sich darin, im Einklang mit zumindest Teilen der Herrschenden in Einzelfragen zu intervenieren (Weizäcker und Kinkel für Abu Jamal). Dabei entsteht weniger eine soziale Praxis als eine Simulation von Anti-Rassismus interpretieren ließen, die eine nicht existierende anti-rassistische Alltagspraxis ersetzte. Während sich eine Handlungsaufforderung wie "Kauft nicht bei Shell!" massenmedial erfolgreich vermitteln lässt, ist eine soziale Praxis, die auf grundlegendere Veränderungen der Gesellschaft abzielt, nicht in solche Anweisungen zu kleiden. Sie erfordert Diskussionen, Versuche, Mut zum Unfertigen und Unrealistischen - all das, wofür in der Einbahnstraße massenmedialer Kommunikation kein Platz ist.
Donīt believe the Hype? Gegenöffentlichkeit im Internet Auch wenn wir fragen, welche Chancen sich für eine linke Gegenöffentlichkeit aus neuen technischen Entwicklungen ergeben, interessiert uns nicht in erster Linie, welche neuen Kanäle der Informationsübermittlung Mailboxen und Internet allgemein bieten. Vielmehr geht es darum zu klären, wo solche Medien im sozialen Raum positioniert sind und welche neuen (Handlungs)perspektiven sich eröffnen. Auch die Diskussionen um das Internet als neuen Ort linker Medienpraxis kreisen in erster Linie um den Fetisch, Information, Information, noch mal Information, und zwar für alle. Berauscht von der Tatsache eines riesigen, internationalen und deswegen kaum zensierbaren Informationsflusses bleibt die Diskussion häufig an diesem Punkt stehen. Dabei ist auch hier zu fragen, welcher Stellenwert solcher Information zukommt. Es wird hier von Medien in einer Weise gesprochen, als seien sie die Öffentlichkeit selbst: "Die Rede von der Mailbox als universelles Medium erweist sich vollends als Mythos, wenn der Austausch von Daten und politischen Informationen zum puren Selbstzweck wird, falls diese sich am Ende nicht in politischer Praxis materialisieren. Das heißt, die Anwendung dieser neuen Technologie (für sich genommen) erreicht nichts!"(Hg.: Netzkritik) Einmal mehr wird zwar technikfixiert über Informationen und Kanäle diskutiert, nicht aber über die Bedingungen der Rezeption, über politisches und soziales Handeln. Die spannendere Frage wäre aber aus unserer Sicht, was von Vorstellungen zu halten ist, die das Internet auch und gerade als potentiellen Ort neuer sozialer Praxen verstehen. Es darf nicht übersehen werden, dass sich das Internet von traditionellen Medien insofern wesentlich unterscheidet, als es die Möglichkeit einer reziproken und interaktiven Kommunikation bietet. Besteht die Aussicht, sich in diesem Rahmen selbstbestimmte Ort zu schaffen, "temporäre autonome Zonen" (Hakim Bey), in denen die gesellschaftlichen Regeln zumindest zeitweise außer Kraft gesetzt (bzw. noch gar nicht verbindlich formuliert) sind? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf die soziale Existenz außerhalb der Netze? Die Kritik an solchen Vorstellungen wird häufig von einer Position aus formuliert, die offen oder implizit die "authentischen" Formen von Kommunikation, Interaktion und soziale Praxis in der "wirklichen" Welt der Scheinwelt des Cyberspace gegenüberstellt. Uns erscheint eine solche unterschwellig naturalisierende Gegenüberstellung und Bewertung fragwürdig. Vielleicht bietet gerade die reduzierte und "unauthentische" Kommunikation im Netz die Chance, ansonsten festliegende soziale Identitäten zumindest teilweise außer Kraft zu setzen. Allerdings bleiben kritische Fragen: Wer sind die Akteure im Internet? (90% männliche weiße Metropolenmittelschitsbürger, genau wie in der Linken ...)Wie lange wird es dauern, bis die bestehenden Spielräume im Netz juristisch und polizeilich domestiziert sind? Inwieweit besteht die Gefahr, einmal mehr die Funktion der Avantgarde im kapitalistischen Modernisierungsprozess zu übernehmen, deren Praxen dann in kommerzialisierter und entschärfter Form in den gesellschaftlichen Mainstream eingehen? Wesentlich erscheint uns auf jeden Fall, sich bei der Diskussion nicht selbst in den Cyberspace zu katapultieren, sondern das Verhältnis von Cyber-Netzkommunikation und Kommunikation im "realen" Echtzeitleben im Auge zu behalten. Sonst laufen wir stets Gefahr, allzu technologiezentriert zu diskutieren oder gar dem Mythos der "Informationsgesellschaft" aufzusitzen.
"Vorwärts und viel vergessen!" Es bleibt die Frage, was aus unseren Überlegungen für die linke Medienpraxis folgt. Das Hauptziel derzeitiger linker Politik müsste unseres Erachtens sein, alternative Vorstellungen von gesellschaftlichen Beziehungen gegenüber dem bestehenden hegemonialen Konsens wieder denkbar zu machen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich anders als früher ein inhaltlich klar umrissener hegemonialer Diskurs kaum mehr ausmachen lässt: Die herrschende Ideologie vermittelt sich auch und vor allem durch die Formen der Repräsentation. In bezug auf alternative Medien heißt das, dass deren Formen absorbiert und deren Inhalte neutralisiert werden (so, wenn die in den alternativen Medien entwickelten innovativen kulturellen Servicefunktionen mittlerweile die ökonomische Grundlage von Stadtmagazinen á la Prinz geworden sind). Aufgrund des mit dieser Entwicklung einhergehenden Funktionsverlusts sehen sich die Medien der "Gegenöffentlichkeit" auf die Rolle von Fanzines zurückgeworfen, die sich nur noch an eine relativ kleine soziale Gruppe wenden. Als solche sind sie allerdings keinesfalls funktionslos. Linke Medien können nach wie vor einen Ausgangspunkt bilden, um bestimmte Informationen in eine (auch bürgerliche) Öffentlichkeit zu tragen und dort Momente einer Delegitimierung der herrschenden Ordnung zu bewirken. Außerdem sind gerade für Teilöffentlichkeiten und Subkulturen funktionierende Kommunikationsstrukturen überaus wichtig: Eigene Medien machen den Raum auf, in dem Abweichendes und Alternatives gedacht und diskutiert werden kann. Es gilt aber, die Beschränktheit einer solchen Funktion von Medien zu reflektieren und um Möglichkeiten und Spielräume sozialen Handelns außerhalb der virtuellen Welt der Medien zu ringen (Catchen? Boxen? Aikido?). Eine gesellschaftsverändernde soziale Praxis bedarf der konkreten Utopie von einer anderen Gesellschaft, und diese entsteht nicht auf medialer Ebene. Gesellschaftliche Veränderung beginnt auch und in erster Linie im sozialen Alltag. Die Utopie einer anderen Gesellschaft lässt sich nicht in Buchstaben, sondern allenfalls in kulturellen Formen artikulieren, nicht als fertiger Text, sondern stets fragmentiert und unvollständig. Und in einem solchen Kontext haben die linken Medien einen wichtigen Platz, auch wenn derselbe den Machern (welche bekanntlich gerne große und weitreichende strategische Gedanken formulieren) nicht behagen mag. Als Selbstverständigungsmittel sind linke Medien unverzichtbar. Gemessen an alten Illusionen mag das wenig sein. Mehr als nichts ist es allemal. Das Konzept Kommunikationsguerilla steht daher nicht im Widerspruch zu einer Praxis der Gegenöffentlichkeit. Eher ergänzen sich beide Konzepte gegenseitig. Denn was nützen Methoden und Praktiken subversiver Kommunikation, wenn keine Denkangebote vorhanden sind, die sich den hegemonialen gesellschaftlichen Vorstellungen entgegenstellen? Und was bringt eine Politik der Gegenöffentlichkeit, wenn sie keine Ausdrucksformen findet, die gehört und zur Kenntnis genommen werden. Kommunikationsguerilla kann lediglich versuchen, den hegemonialen Konsens aufzubrechen und offene Kommunikationssituationen zu schaffen. Sie ersetzt keine inhaltliche und organisatorische Arbeit, keine Antifa-Aktionen und auch keine eigenen Medien. Basta! |
|
[zum Anfang] * zuletzt aktualisiert am: 06.05.2001 |