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Abschiebung um jeden Preis

 
33.000 Abschiebungen im Jahr. So lautete die Erfolgsbilanz des Bundesgrenzschutzes (BGS) für 1999. Damit hält Deutschland einen traurigen Europarekord. Abgeschoben wird auch in Kriegs- und Bürgerkriegsregionen und in Folterstaaten wie Algerien, Türkei, Afghanistan und Iran. Um die Abschiebung durchzu-setzen, scheint jedes Mittel recht zu sein.

Pro Asyl im Frühjahr 2000: »Einziger Maßstab ist zumeist: Überlebt der abzuschiebende Mensch den Flug? So diagnostizierte ein Arzt des Gesundheitsamtes Germersheim bei einem Abzuschiebenden eine behandlungsbedürftige Störung, die bei der Durchführung der Abschiebung zur Verstärkung von Angstsymptomen und Suizidgefahr führe. Sein Vorschlag: Nicht der Verzicht auf die Abschiebung, sondern die Gabe beruhigender Psychopharmaka. Weitere Empfehlung: Zwischen der Zustellung des Ausreisebescheides und der Durchführung der Abschiebung solle wenig Zeit liegen und der Betroffene permanent überwacht werden, damit ihm ein Selbstmord nicht gelingen kann.«

Um eine effektive Abschiebepraxis durchzusetzen, bedarf es eines hohen Maßes an Spezialisierung und ressortübergreifender Zusammenarbeit, aber auch an bösartiger Fantasie und Kaltherzigkeit bei dem beteiligten Personal der Innenministerien, der Ausländerbehörden, des BGS, der Gesundheitsämter und der Fluggesellschaften.

Mit ihren zahlreichen Direktverbindungen in nahezu alle Regionen der Welt kommt der Lufthansa bei den Abschiebungen eine große Bedeutung zu. Von den 32.922 Ausländern, die nach Angaben des BGS 1999 abgeschoben wurden, flog die Lufthansa nach eigenen Angaben 10.000 außer Landes. Etwa 90 Prozent der Abgeschobenen in Linienmaschinen fliegt ohne Begleitung. Der BGS überwacht zwar den Ein-stieg ins Flugzeug, doch die betroffenen Personen werden als passiv eingeschätzt. Viele fliegen in der Tat insofern »freiwillig« mit, weil ihnen ansonsten nur die Fortsetzung der Abschiebehaft droht. Bei Lufthansaflügen dürfen aus Sicherheitsgründen maximal fünf unbe-gleitete »Deportees« im gleichen Flugzeug fliegen. Mit den als renitent oder gar potenziell gefährlich eingestuften Abzuschiebenden - nach offiziellen Angaben etwa 10 Prozent der Betroffenen - sind 1998 rund 9.000 Beamte mitgeflogen. Bis vor kurzem war es durchaus üblich, den Widerstand auch mit Hilfe von Beruhigungsmitteln, Knebeln und Klebebändern zu brechen. Auf die öffentliche Kritik an dieser brutalen Abschiebepraxis reagierte das Bundesinnenministerium und wies den BGS an, auf diese Hilfsmittel zu verzichten. Der Einsatz von Fuß- und Handfesseln und körperlicher Gewalt durch die begleitenden Beamten wird jedoch weiterhin vom Ministerium und den Luftfahrtgesellschaften gebilligt. Misshandlungen - selbst der Tod von Kola Bankole und Mohamed Amir Ageeb - blieben für die Verantwortlichen bisher ohne Folgen.