Was sind Infoläden?
Inhalte und Struktur
Die Bandbreite der in
Infoläden vertretenen Inhalte reicht von Flüchtlingspolitik und Antifaschismus
über Feminismus und Gender bis hin zu Repression, Knast und Gefangene, soziale
Kämpfe, linksradikale Politik im allgemeinen, Globalisierung, sowie Internationalismus,
Antinationalismus, Drogen, (Sub-) Kultur und vielem mehr (wobei die Reihenfolge
nicht hierarchisch und abschliessend gemeint ist).
Infoläden werden genutzt
und getragen von Menschen mit unterschiedlichsten politischen Überzeugungen
aus dem undogmatischen linksradikalen Spektrum. Hier wurden und werden Informationen
zumeist in Form von Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern aber auch
Büchern, Videos und Ton- und Datenträgern gesammelt, diskutiert und verbreitet.
Auch die Medien E- Mail und Internet werden viel genutzt. Die Arbeit umfasst
aber auch die Organisation und/ oder Teilnahme von Aktionen, Veranstaltungen
und Demonstrationen zu unterschiedlichen Themen und die Platzierung linker
Inhalte und Debatten in einer nicht nur, aber meist innerlinken Öffentlichkeit.
Neben dem Informieren
haben Infoläden auch noch weiter wichtige Funktionen: sie sind Nahtstelle
für Gruppen aus verschiedenen Teilbereichen und Spektren: Antifa- und Flüchtlingsgruppen,
Initiativen zu Gefangenenarbeit, Kampagnengruppen, die sich spontan bilden
und wieder auflösen, wenn das Feld abgearbeitet ist, autonome Kleingruppen,
FrauenLesben- Gruppen, Lesegruppen, die sich mit bestimmten Teilbereichen
auseinandersetzen, und viele andere nutzen die Läden für Treffen, Plenen,
als Anlaufpunkt und Kontaktadresse.
Vielerorts sind Infoläden
mit die letzten selbstbestimmten, autonomen Refugien und dienen als "Büro
der Szene", meist ausgestattet mit Fax, Computern, Kopierern und vielem
mehr, was den Büroalltag effektiver und bequemer macht. Und dort, wo es
etwas mehr Platz gibt, wird der Laden auch als Veranstaltungs- und Partyort
benutzt.
Geschichte
In den 80er Jahren (im
Osten ab Anfang der 90er) sind in immer mehr Städten in der BRD, aber auch
international, Infoläden entstanden. Die Entstehung der Infoläden hängt
unter anderem damit zusammen, dass der Austausch und die Diskussion von
und über staats- und gesellschaftskritische Themen be- und verhindert wird
und wurde- durch die Reproduktion von Macht- und Herrschaftmodelle durch
uns selbst, mittels von Paragraphen wie beispielsweise dem Gesinnungsparagraphen
129 und 129a ... Somit sind Infoläden auch ein Versuch, entgegen der der
kapitalistischen Verwertungslogik zu Informieren, Machtverhältnisse zu thematisieren-
und diesen entgegenzutreten.
Ein weiterer entscheidender
Punkt war und ist auch das immer weiter um sich greifende Wegfallen von
selbstbestimmten, linksradikalen Orten und Plätzen, in den 80ern vor allem
in Form der (ehemals) linken Buchläden. In den 90ern war dies eher das Wegfallen
autonomer Zentren und besetzter Häusern, die meist auch ihren Teil in der
linksradikalen Kommunikations- und Informationsstruktur inne hatten. Einen
weiten Teil dieser Aufgaben haben Infoläden übernommen.
Selbstverständnis
Infoläden begreifen sich
als Teil autonomer Organisierung. Sie streben eine Vernetzung mit Gruppen
aus der eigenen Stadt und darüber hinaus an, organisieren sich aber auch
auf regionaler und länderübergreifender Ebene mit anderen Läden (siehe BILT).
Zum einen werden so Informationen erhalten, die vom herrschenden Diskurs
unterdrückt werden, zum anderen ist es so möglich, Erfahrungen und Standpunkte
auszutauschen und zu diskutieren. In Zeiten schwindender "Wahrheiten" und
zunehmender Perspektivlosigkeit (Anfang der 90er nach dem Zusammenbruch
des "real existierenden Sozialismus", aber auch verursacht durch die Einstellung
der bewaffneten Kämpfe, den erstarkenden Rassismus und Nationalismus in
der BRD und Europaweit), sowie der sich immer weiter zuspitzenden Situation
weltweit ist es mehr den je von Nöten, so glauben wir, uns auf unsere Geschichte
zu besinnen und parallel dazu einen Beitrag zu einer neuen Praxis zu entwickeln.
Dabei meinen wir nicht
nur die Diskussionen und Erfahrungen der letzten 20 Jahre, sondern auch
das oft verschüttete Wissen um die Kämpfe und Widerstandsformen der Menschen
in diesem und den letzten Jahrhunderten. So wollen wir versuchen, die Wahrnehmung
für die Erfahrungen, die Niederlagen, aber auch die Erfolge der progressiven
Widerstandsbewegungen zun schärfen, die einen Bodensatz bilden, aus dem
wir schöpfen können. Wir bemühen uns, Informationen über Widerstand weltweit
zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Dies soll und kann auch
ein Beitrag dazu sein, von nationalen bzw. eurozentristischen hin zu einer
kosmopolitischen, internationalistischen Sicht zu gelangen.
Konzepte und Perspektiven
Allerdings wir sind weit
davon entfernt, uns selbstzufrieden zurückzulehnen: schliesslich sind BesucherInnen
nicht gleich KonsumentInnen, und Konsum nicht gleich Auseinandersetzung
und Praxis, nicht gleich Bewusstsein. Und es gibt viele Fragen, mit denen
wir als Infoläden uns auseinandersetzen müssen, wenn wir auch weiterhin
linksradikale Politik machen wollen.
Einen grosse Frage ist
die nach der Bedeutung, nach dem Verhältniss von Öffentlichkeit oder dem
in der Linken viel beschworenen Begriff der Gegenöffentlichkeit in Relation
zu uns und unseren Politikformen. Sind wir nicht meist kaum mehr in der
Lage, uns, unsere eigene Bedeutung und die unserer Events realistisch und
kritisch zu reflektieren? Müsste eine Auseinandersetzung hierüber nicht
auch die Auseinandersetzung über unsere mediale Aufbereitung und die Repräsentation
nach außen beinhalten? Was ist das, was wir tun? Leben Aktionen aus sich
selbst, über die Wahrnehmung derer hinaus, die an der Aktion teilnehmen,
sind sie "reale Ereignisse" und stehen somit für sich selbst? Oder existieren
Ereignisse nur aus einer nachträglichen Produktion von Information, sind
sie nur Trägermasse von Inhalten auf dem Weg in eine mediale Öffentlichkeit?
Auf weitere und ausgiebige
Diskussionen um diese und andere Themen sind wir schon jetzt gespannt.
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